Wir räumen auf mit Ammenmärchen.
Wie dieser Blog entstand.
Stillen & Tragen sind zwei Entscheidungen, die in deutlicher Beziehung stehen. Ich kenne nur wenige Mütter, die tragen und nicht stillen. Doch es begegnen mir immer wieder Mütter, die gerne gestillt hätten und gescheitert sind. Sie hatten zu wenig Milch, eine zu kleine Brust, Staus, Erkrankungen und / oder Operationen und so weiter. Oft sind sie traurig ob der verlorenen Stillbeziehung. Sie erfuhren in 99 % aller Fälle keine professionelle Begleitung, die mit evidenzbasiertem Wissen gearbeitet hätte. Sie erlebten tradiertes Stillwissen, von Ammenmärchen gespeist.
Ich höre, wenn es um meine Stillvorbereitungskurse oder Beratungen geht, oft folgende Aussage:
„Stillen ist doch total natürlich. Entweder es klappt oder es klappt nicht. Dafür braucht es doch nicht speziell ausgebildete Beraterinnen.“
Und da haben wir sie schon, die Einschränkung. Stillen ist leider nicht ausschließlich natürlich, sondern auch sehr stark „kultürlich“. Und unsere Gesellschaft hat keine gute Stillkultur. Es gibt ein Foto von dem ehemaligen Präsidenten von Venezuela, Hugo Chavez. Er steht in einer Menschenmenge und ist im Kontakt mit einer Frau, die die linke Brust entblößt hat und ein etwa zwei Jahre altes Kind während des Gespräches stillt. In Venezuela komplett normal und niemand würde etwas Außergewöhnliches bei diesem Bild denken oder empfinden. Jetzt stellen wir uns die gleiche Situation in Deutschland mit Herrn Scholz vor. Unvorstellbar – oder? Ein Shitstorm würde durch fast alle Medien ziehen und uns wahrscheinlich wochenlang beschäftigen.
Fakten:
- Etwa 90 Prozent der Mütter in Deutschland beabsichtigen ihr Kind zu stillen
- 68 Prozent der Mütter stillen ihr Kind nach der Geburt ausschließlich, aber in den folgenden Monaten sinkt die Zahl deutlich
- Nach zwei Monaten sind es noch etwas mehr als die Hälfte - 57 Prozent
- Nach 4 Monaten sind es nur noch 40 Prozent
- Nur etwa 12 % aller Kinder in Deutschland werden entsprechend der WHO-Empfehlung mindestens sechs Monate ausschließlich gestillt
Robert Koch-Institut (RKI) (2020), (KiGGS [= Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland] Welle 2), (Stand: 15. Juli 2020).
Also gelingt nur etwa 12 % aller Frauen das, was sich ca. 90 % wünschen. Wie arm das ist! Und an diesem Zahlenspiel haben unsere tradierten Ammenmärchen einen wesentlichen Anteil. Deswegen freue ich mich, in den folgenden Blogbeiträgen mit den häufigsten Ammenmärchen, auf wissenschaftlich basierter Grundlage, aufzuräumen.
Lest rein, es lohnt sich. Und ich verspreche, es wird weder kompliziert noch medizinisch und schon gar nicht langweilig.
Dieser Blogbeitrage ist von Eva Vogelgesang
IBCLC, EFNB, Trageberaterin, Fachkinderkrankenschwester auf der Neonatologie - Kinderintensivstation des Klinikums Saarbrücken